24 Aug 7 und 3 Fragen an … Richard und Pascal Sander
Dass im Gespräch mit Richard Sander sieben Fragen nicht ausreichen, werden wohl die meisten schon vermutet haben. Und weil mit Pascal Sander auch die vierte Generation im Familienbetrieb bereits einiges mitzureden hat, haben wir unsere Rubrik „7 Fragen“ erweitert. Erfahren haben wir, dass die beiden Sanders zwar Bergsportler, aber keine Wanderer sind, und dass es vor allem auf eines ankommt: Auf viel Gefühl.
#1 Wanderschuhe oder Flipflops – welche Schuhe begleiten euch in eurer Freizeit?
Richard: Wir sind beide keine Wanderer. Ich bin eher Kletterer, Schifahrer und Tourengeher… Aber bei Schuhen bin ich extrem empfindlich und daher sehr kritisch und qualitätsbewusst. Im Alltag bin ich eigentlich mehr oder weniger barfuß unterwegs oder habe Flipflops an.
Pascal: Ich bin meistens mit meinen Radschuhen unterwegs – ich bin mehr der Fahrradfahrer. Früher war ich auch oft Klettern. Da brauchte ich dann für die Zustiege einen guten Bergschuh. Meinen Bergschuh verwende ich ansonsten eher zum Arbeiten im Gelände und weniger für klassische Wanderungen.
#2 Was muss ein guter Wanderschuh können?
Richard: Es gibt unzählige Marken! Da ist es für Kunden oft schwierig, den Überblick zu behalten. Alle Schuhe, die wir im Geschäft haben, sind akribisch ausgewählt. Damit helfen wir unseren Kunden, genau das Richtige für ihre Bedürfnisse zu finden.
Pascal: Einen guten Bergschuh kannst du ewig tragen. Viele lassen sich mittlerweile die alten, gut passenden und eingelaufenen Schuhe bei uns herrichten, neu besohlen oder mit Beschlägen bestücken. Der Schuh ist danach wieder wie neu und so eine Reparatur rentiert sich auf alle Fälle.
#3 Woher kommt der gute Ruf des Schuhhauses Sander?
Richard: In einem hohen Maß ist es eine Passion. Der gute Ruf kommt wahrscheinlich daher, dass schon mein Vater immer sehr passioniert war. Da muss ich ein bisschen ausholen… Es hat ja nach dem Krieg keine Schischuhe, keine Plastikschuhe, gegeben. Mein Vater hat dann mit Franz Furtner, einem guten Freund von ihm, angefangen, Schischuhe zu machen. Zu Spitzenzeiten waren sechzehn Schuhmacher im Haus! Ich weiß noch, wie damals LKWs angekommen sind und riesige Stapel Leder gebracht haben, fässerweise Klebstoff und Lösungsmittel. Und so hat man Schuhe gemacht. In Seekisten wurden die Schuhe dann bis nach Japan verschickt. So lange, bis in den 60er-Jahren dann die Plastikschuhe aufgekommen sind. Später hat sich mein Täta auf schwere Jagdschuhe spezialisiert. Anfang der 90er-Jahre wurden die letzten handgemachten Schuhe verkauft, 20.000 Schilling haben sie gekostet – Wartezeit ein Jahr. Und in diesem Dunst bin ich groß geworden.
#4 Warum Schuheinlagen?
Richard: Wir haben schon früh angefangen, Einlagen zu bauen. Warum? Da muss ich ein bisschen ausholen… Mit einem Schischuh ist man schnell mal so zwischen 50 und 70 km/h unterwegs. So – was bedeutet das an Energie? 50 km/h entsprechen einem Sprung aus dem zweiten Stock auf die Straße. Jetzt sind unsere Füße aber eigentlich zum Barfußlaufen gemacht. Jetzt packst du die in einen Plastikkasten bei zehn Grad minus, beschleunigst dein Körpergewicht auf das x-fache und dann wunderst du dich, dass dir die Füße wehtun?! Für mich war das als Jugendlicher schon ein Problem. Ich weiß noch, wie ich mit vierzehn meinen ersten eigenen Schischuh bekommen habe. Der hat wehgetan, das kannst du dir nicht vorstellen. Also habe ich schon früh angefangen, Einlagen zu bauen. Später dann im Geschäft im größeren Stil; im ersten Winter schon 800 Paar.
#5 Was sagt ihr zum Schitouren-Boom der letzten Jahre?
Richard: Der Trend ist dem Individualismus geschuldet. Der Drang nach Abenteuer kommt uns natürlich zugute. Bewegung ist in, Berge und frische Luft sind in. Jetzt bewegen sich aber nicht mehr nur Individualisten in den Bergen, sondern Ottonormalverbraucher. Dann brauchen sie gutes Material – ohne geht’s nicht. Die Industrie kann eine gewisse Palette liefern, aber der Rest muss gemacht werden.
Pascal: Genau. Es gibt viele, die mit Bootfitting Werbung machen, was man aber im Vergleich zu uns ein bisschen unterscheiden muss. Unser Angebot fängt bei der passenden Einlage an und reicht bis zur Innenschuh- und Schalenverformung. Unsere Werkzeuge sind Einzelanfertigungen. Damit schaffen wir es, nicht nur den Durchschnittsfuß, sondern auch orthopädische Fehlstellungen zu bedienen.
#6 Was wissen viele eurer Kunden nicht?
Richard: Gerade im Tourenbereich gibt es viele Schuhe, die einfach nicht funktionieren – und die landen dann bei uns: Zwei Drittel der vielen Schuhe, die wir bearbeiten, sind nicht von uns! Aber da machen wir keinen Unterschied. Egal, wo der Schuh herkommt, wir sind komplett wertfrei. Wenn dein Schuh nicht funktioniert, kommst du zum Anpassen zu uns. Und da zahlst du auch gleich viel, wie wenn du einen Schuh bei uns kaufst.
#7 Worauf legt ihr beim Schischuhverkauf Wert?
Pascal: Was uns einzigartig macht, ist das Gespür für das richtige Modell. Es geht nicht nur um die richtige Größe, sondern um die Eigenschaften des Schuhs, die zum jeweiligen Käufer passen müssen. Das können wir glaube ich recht gut, weil wir in diesem Bereich selber viel Erfahrung haben. Ich bin beispielsweise Schifahrer und habe aktuell vier Schischuhe. Einen Rennschischuh, einen superleichten Tourenschischuh, einen fürs Freeriden und einen für den Funpark. Diese Eigenschaften muss man kennen.
Richard: Richtig. Bei allem Schuhwerk – vom Laufschuh über den Tourenschuh bis zum Rennschuh – geht es immer darum, dass wir den Leuten helfen, den richtigen Charakter des Schuhs zu finden. Das ist etwas, was wir mit viel Gefühl glaube ich gut können.
„Nach mehreren Verletzungen am Sprunggelenk habe ich für mich selbst Einlagen gefertigt und dabei viel ausprobiert.“ Pascal (33)
### Bonusfragen ###
#8 Sport, Lifestyle und Orthopädie: Welche Rolle spielt die Orthopädie?
Pascal: Im Geschäft bin ich seit gut zwei Jahren als orthopädischer Schuhmachermeister. Dadurch konnten wir unser Angebot an Einlagen extrem erweitern.
Richard: Wir sind zertifizierter Gesundheitsbetrieb. Das heißt, wir bauen Einlagen auf Rezept! Orthopädische Schuhmacher sind wir die einzigen im Oberland. Das ist in der Zwischenzeit auch unser Hauptgeschäft. Das heißt, die Schischuheinlagen sind nur ein Beispiel von vielen Anwendungsbereichen von orthopädischen Einlagen.
#9 Handwerk oder Handel – was ist wichtiger?
Richard: Mit meinem Eni und meinem Täta – beide Schuhmachermeister – liegen unsere Wurzeln im Handwerk. Das Handwerk ist zwar unsere Passion, aber nur von der Passion alleine kann man nicht leben. Ich habe auch eine Händlerseele. Und nachdem die Industrie immer bessere Schuhe geliefert hat, habe ich andere Wege gesucht. Dieser Weg hat uns über den Sport geführt. Pascal und ich, wir sind beide Sportler. Hobbysportler sind unsere Zielgruppe. In diesem Bereich kann man über’s Schuhwerk so viel bewirken. Seit zwanzig Jahren arbeite ich schon mit einer 3D-Fräse, um Schuheinlagen zu bauen. Im Bereich 3D-Druck gehören wir zu den ersten im Land. Wir haben im Laufe der Jahre ein großes Knowhow entwickelt und bewegen uns auf dem neusten Stand der Technik. Ein gewisses handwerkliches Geschick ist dabei genauso wichtig, wie die ständige Neugier.
#10 Wohin führt euch die Zukunft?
Pascal: Wir werden die Themen Sport und Lifestyle beibehalten und zusätzlich mehr den Fokus auf die Orthopädie legen. Und weiterhin möchten wir individuelle Lösungen für unsere Kunden anbieten. Ich würde auch gerne das Thema Handwerk wieder etwas mehr in den Mittelpunkt rücken, wie es früher bei Opa war. In der Werkstatt hätte ich in Zukunft gerne ein, zwei Lehrlinge als orthopädische Schuhmacher, damit dieses Wissen auf jeden Fall erhalten bleibt.